Samstag, 31. Oktober 2015

"Die Mutter meiner Mutter" von Sabine Rennefanz



                                "Ich kenne sie nicht so weich und offen."

Es bleibt in Erinnerung ...

... die Story

Ein Flüchtlingsmädchen kommt nach dem Krieg als Umsiedlerin in einen Ort an der Grenze zwischen Schlesien und der Kurmark Brandenburg. Es heiratet einen über zwanzig Jahre älteren Mann und bekommt Kinder. Jahrzehnte später offenbart sich der Tochter, was damals vor der Hochzeit geschehen ist und schließlich ist es die Enkelin, die in ihrem Roman dieser Geschichte nachspürt und sie verarbeitet. Bilder von Liebe und Familienidylle fallen zusammen und müssen wie ein Puzzle neu geordnet werden.
Die Icherzählerin fühlte sich ihrem Großvater stets sehr verbunden, liebte ihn so zufrieden und ihr zugewendet er war, während sich zur Großmutter Anna keine Nähe einstellen wollte. "Wenn ich versuchte, meine Großmutter zu umarmen, duckte sie sich weg."
In dem biografischen Roman von Sabine Rennefanz wird im Nachhinein das Leben von Anna aufgeblättert. In verschiedenen Erzählzeiten und Perspektiven kommt die Autorin hinter eine Familientragödie, die mit der Bürde der Vertreibung nach dem zweiten Weltkrieg beginnt und bis in die Generation der Enkelin nachwirkt.

... das bewegte Herz

"Sie deckte den Täter, um die Töchter zu schützen."
Das Zusammenrücken der Familie nach der Offenbarung der Großmutter. Wunderbar, wie gelöst Anna danach wirkt, körperliche und emotionale Nähe zulässt.

... ein Zitat

"In unserer Familie gibt es wie in den meisten Familien eine feste Erzählung, ein Skript, in dem allen Rollen zugeschrieben werden, an die sie sich zu halten haben. Mein Großvater ist darin der Held, der barmherzige Patriarch, der um die Familie kämpft. Er ist der treusorgende Familienvater, der hilfsbereite Nachbar, der vorbildliche Ehemann ...
Meine Großmutter spielte die Rolle der harten, missmutigen Frau ...
In Wahrheit hat diese Rollenverteilung noch nie gestimmt und die Erzählung unserer Familie war eine Lüge. Wie das Land, in dem wir lebten, eine Lüge war. Vielleicht musste die große Lüge erst zusammenbrechen, bevor die kleinen zum Vorschein kamen."

... die Sprache

Sprachlich nicht ganz ausgefeilt. Aber die eher einfache Sprache versucht vielleicht die Beklemmung zu händeln, setzt ihr in kurzen prägnanten Sätzen Schranken und vermeidet so das allzu biographisch Sentimentale.

Ich möchte das Lesen dieses Buches empfehlen, empfinde es allerdings am Ende als nicht ganz rund. Schlusssätze sind gewichtig und das möchte ich auch spüren. Hier scheinen sie mir sehr beliebig und austauschbar.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen