Donnerstag, 12. Februar 2015

"Kindeswohl" von Ian McEwan

"Nach meiner Meinung ist sein Leben wertvoller als seine Würde."




Es bleibt in Erinnerung ...

... die Story

Fiona Maye ist Familienrichterin am High Court in London und hat es zu einem gewissen Ansehen gebracht. In vielen gewichtigen Fällen hat sie schon entschieden und auch der neue Fall verspricht Publicity. Adam Henry, ein siebzehnjähriger Junge, erzogen im Glauben der Zeugen Jehovas, verweigert eine Bluttransfusion, die dringend angebracht wäre, da er an Leukämie erkrankt ist. Da Fiona nicht sicher ist, ob dies die Überzeugung des Jungen oder vielleicht nur die seiner Eltern ist, besucht sie David im Krankenhaus. Adam rührt sie. Zum einen wirkt er in seiner Meinungsäußerung sehr stark und gefestigt, zum anderen spürt Fiona aber "Unschuld" und "Zartheit". Adam schreibt Gedichte und spielt Geige und Fiona ist von sich selber überrascht, als sie Adam anbietet, im Krankenzimmer zu einem seiner Geigenstücke zu singen.
Zurück im Gericht verfügt sie, dass die Klinik Adam gegen seinen Willen und den der Eltern Bluttransfusionen verabreichen darf.
Adam gesundet und nimmt Kontakt zu ihr auf, den sie jedoch nicht zulassen möchte und ihm aus diesem Grunde ausweicht. Als es doch zu einem Wiedersehen kommt, lässt dieses beide ungemein verwirrt zurück.
Die Geschichte erfährt eine tragische Wendung.
Neben dem Schauplatz Gericht gibt es auch noch Fionas Privatleben. In ihrer Ehe kriselt es, seit Jack, ihr Mann gestanden hat, regelmäßig eine jüngere Geliebte zu treffen und Fiona bittet, das zu tolerieren.
Fiona ist es durch ihren Beruf gewohnt, sehr rational und sachlich zu entscheiden. Emotionen haben in ihrem Leben keinen Platz. Es ist genial, wie McEwan seine Protagonistin skizziert, aber so wie diese zu ihren Gefühlen auf Distanz geht, so hat auch der Leser Probleme, ihr nahe zu kommen. 
Der Autor hat eine Geschichte konstruiert, deren Präzision und konzentrierte Stille beeindrucken.
Muss man Fiona lieben? Wahrscheinlich nicht.

... das bewegte Herz

... galt Adam, dem man den Glauben an seine Religion genommen hat und der auf der Suche nach neuem Halt ist.

... ein Zitat

"Sie trat ein, alle erhoben sich, sie nahm Platz und wartete, bis die Parteien im Saal unten sich gesetzt hatten. Vor ihr lag ein dünner Stoß Papier, neben den sie ihren Federhalter legte. Erst dann beim Anblick dieser cremeweißen, sauberen Bögen, verschwanden die letzten Spuren, der Makel ihrer eigenen Situation vollständig aus ihrem Bewusstsein. Sie hatte kein Privatleben mehr, sie war bereit, sich vereinnahmen zu lassen."

... die Sprache

Ian McEwan ist ein gekonnter und intelligenter Stilist. Ich habe Freude an seinen Formulierungen und liebe den Ton seiner gewandten Prosa.

Fazit: Lesen!




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