Freitag, 23. Februar 2018

"Die Kehrseite des Himmels" 
von Ljudmila Ulitzkaja


"Ich muss gestehen, ich hasse die Lüge,
 die große staatliche wie die kleine, private."


Es bleibt in Erinnerung ...

... was die Autorin zu sagen hat

Keines ihrer Bücher eignet sich vermutlich so gut wie dieses, der Autorin näherzukommen. Sie überrascht hier mit einer großen Bandbreite an Themen, die wie ihr Herzblut anmuten.
Sowohl die eher privaten Kapitel über ihre Familie, ihre Leselust, ihr Studium, ihre Erkrankung, ihre Freundinnen, ihre Verehrung für Nabokov und ihr Interesse für Kunst und Kultur, als auch die Kapitel, die sich mit der Politik Russlands auseinandersetzen, sind stringent und feinsinnig geschrieben.
Ljudmila Ulitzkaja hat schon früh den Mut aufgebracht, sich politisch zu äußern
Aufgrund von Verbreitung systemkritischer Literatur wurde die promovierte Genetikerin 1969 mit Berufsverbot belegt. Danach arbeitete sie nur noch als Dramaturgin und Schriftstellerin.
Sie gilt nach wie vor als Kremlkritikerin. "Noch erlaubt mir Putin, anders zu denken."

... ein Zitat

"Die Kultur hat in Russland eine schwere Niederlage erlitten, und wir Kulturschaffenden können die selbstmörderische Politik unseres Staates nicht ändern ... Unsere große Kultur, unser Tolstoi und unser Tschechow, unser Tschaikowski und unser Schostakowitsch, unsere Maler, Schauspieler, Philosophen und Wissenschaftler konnten die Politik der religiösen Fanatiker der kommunistischen Ideen in der Vergangenheit ebenso wenig verhindern wie die der machtbesessenen Wahnsinnigen heute."

... was mich bewegt hat

Mich bewegt ihre persönliche Betroffenheit, die sie zum Ausdruck bringt, egal ob sie von ihrem ureigensten Unbehagen spricht (wie im Fall ihrer Krebserkrankung) oder von ihrem Land Russland, das ebenfalls krankt. Im einen wie im anderen Fall spüre ich hinter diesen Betrachtungen eine sehr nachdenkliche, aber erstaunlich starke Frau.

... die Sprache

Es ist die Sprache einer intelligenten Schriftstellerin, die sowohl Romane, Erzählungen, als auch Essays formvollendet zu schreiben vermag. Alle ihre Bücher sind übrigens von Ganna-Maria Braungardt übersetzt worden. Die beiden Frauen kennen sich bereits seit 1993 und sind sich sehr nahe gekommen.

... ein Fazit

Jedes dieser klugen 33 Kapitel liest sich anders und hat es verdient, für sich betrachtet zu werden. Häppchenweise genießen, so lautet meine Empfehlung. Und nachwirken lassen ...

https://www.youtube.com/watch?v=GOXxg5Nlt6c

(sehr sehenswert!)

Ljudmila Ulitzkaja 2017 im Literaturhaus Köln (mit ihrer Übersetzerin Ganna-Maria Braungardt)

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