"Die Manon Lescaut von Turdej" von Wsewolod Petrow
"Ich hatte eine Katastrophe erwartet und sie damit heraufbeschworen."
Es bleibt in Erinnerung ...
... die Story
Ein Offizier ist zusammen mit Ärzten und Krankenschwestern in einem Lazarettzug auf dem Weg zur Kriegsfront. Die Reise führt diese skurrile Gesellschaft durch weite russische Wintergefilde. Der Icherzähler wirkt entspannt, liest meist Goethe oder wärmt sich am Ofen. Auf engem Raum zusammengepfercht beobachtet man die Reisegenossen und so verliebt er sich in Vera, eine etwas leichtlebige Krankenschwester mit "Ungestüm und Raffinesse" im Blick. Er nennt sie in seinen Tagträumen Manon Lescaut, sieht in ihr das französische Mädchen aus dem gleichnamigen Roman von Abbé Prévost, veröffentlicht 1731. Zunächst hält er es selber für möglich, dass Vera ihn nur "rein literarisch" interessiert, aber schlussendlich beginnen die beiden eine tragische Liebesbeziehung.
Im Anschluss an die Novelle finden sich im Buch Erläuterungen und eine Interpretation, die dem Leser die Augen für Zusammenhänge öffnen. Dadurch erst hat sich mir das Werk wirklich erschlossen und ich habe dessen Schöngeist erkannt. Es ist ein literarischer Kunstgriff, die "Heldin" eines großen Meisterwerks nochmal aufleben zu lassen. Petrow verneigt sich hier vor einem Klassiker und dessen Frauenfigur.
... das bewegte Herz
Mich bewegt die Faszination, die von der Figur der Manon Lescaut ausgeht. Viele Autoren greifen sie in ihren Werken auf. So auch Petrow, der offensichtlich entzückt ist von dieser betörend verführerischen Femme Fatale.
In der Literatur findet sie unter anderem Erwähnung bei Dumas, Wilde, Stendhal und Salter.
Aber auch in Verfilmungen und Vertonungen erliegen ihr viele männliche Protagonisten.
Eine Figur von klassischer Größe!
Hingegen berührt mich die Liebesgeschichte für sich in dieser Novelle eher nicht. Ich begegne zwei sehr interessant (da rätselhaft) gezeichneten Protagonisten, aber sie gestatten mir keine Nähe. Und ihr Liebesgeflüster ist eher banal und austauschbar.
"Ich habe nur dich allein geliebt und werde dich mein ganzes Leben lieben."
... ein Zitat
"Das Licht kam nur vom Ofen. Aus der Dunkelheit hörte man Schnarchen und Atmen. Ich setzte mich ans Feuer und saß still, ohne Gedanken, und fühlte, wie die Zeit stehengeblieben war- nichts bewegte sich, nichts änderte sich, und alles war nur von sich selbst erfüllt, wie in der Malerei: dort siehst du ebenfalls die bewegungslose Daseinsfülle jedes Dings, das gegen die Zeit und gegen Veränderungen gefeit ist."
... die Sprache
Sprachlich überzeugend. Weiche Poesie. Still und zart, gar im Angesicht des Todes.
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