Mittwoch, 18. November 2015

"Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte" von Lars Saabye Christensen



                                  "Es gibt nicht immer ein andernmal."

Es bleibt in Erinnerung ...

... die Story

Im ersten Teil des Romans verbringt der fünfzehnjährige Chris mit seiner Mutter den Sommer auf einer Insel vor Oslo. Es sind die Tage der ersten Mondlandung im Jahre 1969 und Chris, der gerne schreibt, möchte daher auf seiner Remington dem Mond ein Gedicht widmen. Doch es bleibt bei der Überschrift, denn Chris fehlen Ruhe und Inspiration. Viele Gedanken liegen "in dicken Stapeln" in seinem Kopf, er sinnt über so vieles nach, vor allem über sich selber und seine Freunde, aber auch die Mutter lässt ihn grübeln. Liebevoll beobachtet er sie und hat den Eindruck, sie sehne sich nach etwas nicht Greifbarem. Am Tag der Mondlandung kommt es zu einem dramatischen Zwischenfall auf der Insel und Chris kehrt in die Stadt zurück, um wieder zur Schule zu gehen.
An dieser Stelle haben wir es in dem Buch mit einem Bruch zu tun Ungerne verlasse ich Chris und muss mich auf Frank einstellen, Mitte dreißig und in Karmack, einer amerikanischen Kleinstadt, als Übermittler tätig. Kommt es zu Unfällen und Gewaltdelikten, ist es Franks Aufgabe, die Angehörigen aufzusuchen und ihnen die schlechte Nachricht zu überbringen. Frank und Chris sind sich in ihrer Grübelei ähnlich und sie lassen den Leser ob ihrer merkwürdigen Gedankengänge oft schmunzeln. Ernste Szenen kippen ins Urkomisch- Drollige und selbst zu Gewalt und Tod gesellt sich ein humoriger Aspekt. In diesem Buchteil ist es mir fast zu überzogen. Doch der Leser muss sich gedulden, denn es folgt ein Epilog, der das komplette Buch in einen neuen Zusammenhang stellt. Das ist vom Autoren genial konzipiert. Wir begegnen wieder Chris, der nun schon an die sechzig Jahre endlich Wohlgefühl und Erfolg im Schreiben gefunden hat. "Das Geräusch der Tasten erfüllte mich mit Dankbarkeit."
Die Figuren erscheinen in einem anderen Licht, alles setzt sich neu zusammen und der Leser steht fasziniert vor dieser Buchschöpfung.

... das bewegte Herz

Chris und Frank bewegen, wenn sie ihre Fragen ans Leben richten, alles bedeutungsvoll erforschen, seien es Freundschaft, das Erwachsenwerden, das Normal- oder Anderssein, das Scheitern oder die Trauer. Sie sind  tiefsinnig und erfrischend zugleich, rühren an. Und die ideenreichen Metaphern schaffen tolle Bilder.
"Jetzt würde das Leben auf den Kopf gestellt, und das war, als hätte man einen Stein umgedreht, du ahnst nie, was darunter zum Vorschein kommt."

... ein Zitat

" Mutter drückte ihre Zigarette vorsichtig im Aschenbecher aus, ein bisschen Glut flog auf, und der Rauch glitt langsam fort, während ihr Gesicht näher rückte. Ob ich jetzt, zur schreibenden Stunde, wie es heißt, meine Mutter so sehe und versuche, in ihren Gesichtszügen zu lesen, oder es damals, am Abend der Mittsommernacht 1969 so war, das weiß ich nicht ... Aber die Menschen, die uns am nächsten stehen, ziehen sich zurück, wenn die Zeit zwischen sie und uns tritt, und die Erinnerung, dieser zerbrechliche und unbestimmbare Wasserspiegel, ist alles, an das wir uns lehnen und auf das wir vertrauen können."

... die Sprache

Gleichsam einfach und reich. Poetisch in den Versuchen, das Leben zu erklären.

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