Montag, 9. März 2015

"Die Sprache der Vögel" von Norbert Scheuer

"Vielleicht kommt es im Leben nur darauf an, irgendetwas zu finden, bei dem alles andere in Vergessenheit gerät."



Es bleibt in Erinnerung ...

... die Story

Paul Arimond, dreiundzwanzig Jahre alt, meldet sich 2003 freiwillig bei der Bundeswehr, um in Afghanistan als Sanitäter zu dienen. Dem kargen Land kann er viel abgewinnen, da seine Leidenschaft darin besteht, Vögel zu beobachten und er dort eine reiche Vogelwelt vorfindet. Es ist überliefert, dass schon sein Urahn Ambrosius im 18. Jahrhundert am Hindukusch ornithologische Studien betrieb und Paul ist nun gleichsam fasziniert. 
Der Alltag im Lager ist schwer zu ertragen, viel Unmut, Spannung und Todesangst führen an der Rand der Belastbarkeit. Paul ist nicht nur ein guter Vogelbeobachter, sondern hat auch seine Kameraden im Blick. Einer von ihnen rutscht ob all der Schrecken in den Wahnsinn. 
Als Sanitäter muss Paul nicht nur Leben retten, sondern auch alle Verletzungen protokollieren. Es ist nicht das einzige Notizbuch, das er führt. In einem anderen, ganz privaten, hält er alle Vogelerkundungen in Afghanistan fest, sind es Gesang, Verhalten, Flugbild und Gefieder. Auch sammelt er Federn auf und klebt sie zu den Aufzeichnungen. Dies ist ihm ein Trost im Kriegsgeschehen, schenkt ihm Ruhe und Abstand. Die Passion nimmt ihn ein, bringt Zerstreuung und lässt Not und Bedrückung vergessen. 
"Es tröstet mich ...."

Nicht nur das Geschehen vor Ort möchte er verdrängen, auch gibt es zurückliegende Ereignisse in seinem Wohnort Kall in der Eifel, die ihn nicht ruhen lassen wollen. In vielen Einblenden erfährt der Leser nach und nach, was geschehen ist. 

Norbert Scheuer hat hier ein ganz waches Buch geschrieben, das gleichzeitig viel Ruhe schenkt. Was dem Protagonisten Paul Frieden bringt, kommt auch bei mir, der Leserin, an.
Die Sprünge in Zeit und Geschehen lassen mich die Handlung gebannt verfolgen. Alles ist schlüssig und setzt sich harmonisch zusammen.
Die Vogelzeichnungen, gefertigt vom Sohn des Autoren, sind eine zarte Augenweide und runden das ganze Werk ab. 

... das bewegte Herz

Paul auf der Suche nach sich selbst. Seine Liebe zu den Vögeln, die ihn den inneren und äußeren Kriegsschauplatz zeitweise ausblenden lassen.
Zudem hat mich bewegt, wie Pauls Vater sein Ziel verfolgt. Es stimmt traurig, aber der Autor schafft hier unvergessliche Szenen.

... ein Zitat

"Nach dem Dienst noch eine Besprechung zum morgigen Einsatz. Wir werden eine Woche unterwegs sein, bis zur pakistanischen Grenze. Es ist sehr gefährlich da unten. Erst vor Kurzem wurde eine englische Patrouille in diesem Gebiet angegriffen, die Fahrzeuge des Konvois wurden von Aufständischen mit Sprengfallen und Minen zerstört. Ich werde bei diesem Einsatz wohl nicht dazu kommen, Vögel zu beobachten und Notizen zu machen."

... die Sprache

Sie ist eher einfach und doch bestechend. Sie passt zu Paul, der versucht, sich das Leben einfach und plausibel zu erklären. Beobachtet er die Vögel, verändert sich etwas. Dann schwingt sich die Sprache auf zu Schönheit und Poesie.

Der Roman steht auf der Shortlist für den diesjährigen Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletristik. Ich drücke Norbert Scheuer die Daumen!

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