Sonntag, 2. September 2018


"Der weisse König" von György Dragomán



"Seit mindestens drei Jahren 
hatte ich keine Südfrüchte mehr gegessen, 
und so rannte auch ich, so schnell ich konnte ..."


Es bleibt in Erinnerung ...

... die Story

Dzsátá ist elf Jahre alt und lebt mit seiner Mutter im Rumänien des Jahres 1986. Ceausescu ist noch an der Macht, ein Diktator der besonderen Härte. Seine Gewaltherrschaft spiegelt sich in Dzsátás Kinderwelt, selbst den Kindern begegnet überall nur Terror (zum Beispiel auch durch die Lehrer) und sie üben sie selber in brutalen Kriegsspielen aus.
Nachdem sein Vater verhaftet worden und in ein Arbeitslager gebracht worden ist, bleibt Dzsátá nur noch seine Mutter. Die Mutter-Sohn-Beziehung ist eine herzliche und das einzige, was dem Heranwachsenden Sicherheit gibt. 
Es ist die Sicht des Kindes, die den Roman so bemerkenswert macht. Dzsátá wird im Grunde ständig überfordert und seiner unbeschwerten Kindheit beraubt, aber er betrachtet die alltägliche Tragik mit so viel Naivität und fast schon Unbeschwertheit, dass der Leser trotz all der horrenden Zustände oft schmunzeln muss. Gelernt hat Dzsátá auf jeden Fall, dass man mit Gewalt alles in den Griff bekommt und so versucht er am Ende des Buches auf wahnwitzige Art und Weise seinen Vater aus den Händen der "Inneren Sicherheit" zu befreien. Ganz voller Zuversicht.

... ein Zitat

"Vater war schon seit einem halben Jahr nicht mehr bei uns, obwohl es geheißen hatte, dass er nur für eine Woche wegfahren würde, ans Meer, zu einer Forschungsstation, in einer äußerst dringlichen Angelegenheit, beim Abschied hatte er zu mir gesagt, wie leid es ihm tue, mich nicht mitnehmen zu können, denn das Meer biete jetzt, im Spätherbst, einen wirklich unvergesslichen Anblick, es sei viel wilder als im Sommer, werfe riesige gelbe Wellen, alles sei voll weißer Gischt, so weit das Auge reicht, macht nichts, hatte er versprochen, wenn er wieder nach Hause komme, werde er mich mitnehmen, um es mir zu zeigen ..."

... was mich bewegt hat

Dzsátás gefühlvoller Umgang mit seiner Mutter. Rundherum erlebt er nur Rohheit, aber seiner Mutter begegnet er zärtlich und mit viel Liebe.

... die Sprache

Sehr lange Sätze, denen man aber gut folgen kann. Zum Teil derbe Sprache, die einfach den Umständen geschuldet sind, in denen Dzsátá aufwächst. Dazwischen überrascht sie aber auch immer wieder mit Schönheit.

... ein Fazit

Ein ganz besonderes Buch, das den Leser nicht wieder loslässt. Ich war entsetzt und beglückt zugleich.




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