Mittwoch, 16. September 2015

"Die Wanderjahre des August Zollinger" von Pablo d'Ors


"Den besten Entdeckungen gehen die größten Misserfolge und die tiefsten Gefühle des Scheiterns voraus."

Es bleibt in Erinnerung ...

... die Story

August Zollinger wächst in seinem Heimatdorf Romanshorn auf und möchte endlich, mit siebenundzwanzig Jahren, eine Buchdruckerei eröffnen. Da es aber im Ort bereits eine gibt, wissen das die dort ansässigen Buchdrucker zu verhindern. August wird sogar bedroht und verlässt Romanshorn.
Eine Odyssee beginnt, die ihn verschiedene Berufe ausführen lässt. In einem verlassenen Dorf wird er Bahnwärter und verliebt sich in die Stimme einer Frau, die ihm einmal täglich den durchfahrenden Zug ansagt.
Er tritt in die Armee ein und übt sich im Marschieren, Singen und in der Trinkfestigkeit.
Seine Kameraden tragen die Namen berühmter deutscher Schriftsteller und Dichter, seien da Klopstock, Seume, Büchner und Robert Walser, alles übrigens Literaten, die ihre Protagonisten auf Wanderungen geschickt und die Natur dadurch haben erfahren lassen.
August Zollinger verlässt das Bataillon wieder und lebt über ein Jahr als Eremit in den Wäldern und gibt sich dem einfachen Leben hin.
Es folgt die Arbeit eines Beamten, der tagtäglich für das Stempeln von Dokumenten zuständig ist. Er nimmt seine Arbeit ausgesprochen ernst, übt sich aber "im künstlerischen Gebrauch des Stempels", indem er versucht, im Takt von bekannten Melodien zu stempeln.
Als er im Büro nicht mehr vonnöten ist, fängt er als Lehrling im Schusterhandwerk an. Auch diese Arbeit liebt er und führt sie aus, bis er feststellt, dass "er seinen Traum verraten" hat". Das Druckerhandwerk kommt ihm wieder in den Sinn und er kehrt nach Romanshorn zurück und kann dort endlich nach sieben Jahren die Buchdruckerei übernehmen.
Es ist ein Roman mit einer Botschaft. Es geht um die Suche nach sich selbst, um den Reifeprozess und das Erkennen, was letztendlich wichtig ist, eigene Träume nicht aus den Augen zu verlieren, auch wenn der Weg weit ist.
Neben der Ernsthaftigkeit ist auch eine feine Ironie ob der Sonderlichkeiten des Protagonisten zu spüren. Pablo d'Ors gelingt diese Melange meisterlich.
Der Autor hat Germanistik, Theologie und Philosophie studiert und ist selber als Pilger auf der Suche nach geistiger Ruhe unterwegs gewesen: war in Santiago de Compostela, in der Saharawüste und im Nepal.

... das bewegte Herz

Der Protagonist August bewegt. Wie er sich für Begebenheiten öffnet und mit wie viel Sinnlichkeit er alles wahrnimmt. Er ist ein uriger, sympathischer Geselle mit manchmal kindlichen Zügen und seine Gedanken amüsieren bisweilen.

... ein Zitat

"Nie war er so vergnügt gewesen wie in der Schusterwerkstatt, die in sich alle Genüsse vereinte: den Klang, den Geruch, die Berührung ... Aber warum war er so zufrieden, wenn er letztlich , ungeachtet der Größe seines Ruhms, nichts war als ein Flickschuster? Dies war nicht sein Beruf- das wusste er -, und trotzdem fühlte er sich wohl inmitten seiner Schuhe (er hatte sich angewöhnt, sie als seine zu bezeichnen, obwohl sie ihm ja nicht gehörten). Er hatte sie liebgewonnen! Ja, Zuneigung für Schuhe, so seltsam es denen erscheinen mag, die nie Liebe zu den Dingen verspürt haben."

... die Sprache

Schöne, zu Herzen gehende Sprache. Sie klingt und gefällt, ist tiefsinnig ohne zu übertreiben. Signalwörter, die diese Wahrnehmung transportieren: Wechselspiel, Dialoge, Nachdenken, Freundschaft, Aufmerksamkeit, Herz, Gemüt, Seele, Sehnsucht, Ehrbarkeit ...

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