Sonntag, 19. Juli 2015

"Im Frühling sterben" von Ralf Rothmann


         "Einen Herzschlag lang konnte man noch an eine Täuschung glauben ..."

Es bleibt in Erinnerung ...

 ... die Story

Ralf Rothmann erzählt die Geschichte von Walter und Fiete, zwei siebzehnjährigen Jungen, die 1945 noch in die Waffen-SS berufen werden. Keiner der beiden hatte sich freiwillig gemeldet, sie werden einfach aus ihrer Melkerlehre heraus zwangsrekrutiert.
Der Klappentext nimmt die Zuspitzung in diesem Roman schon vorne weg. Die ersten Seiten offenbaren dann aber eine Rahmenhandlung, die den Leser langsam und literarisch meisterlich ins Geschehen einführt. Wir lernen Walter als alten sterbenden Mann kennen, der zeitlebens nicht gerne von seinen Kriegserlebnissen gesprochen hat, der aber auf dem Sterbebett erkennen lässt, dass seine Erinnerungen nicht verarbeitet sind, sondern gleich eines Traumas in ihm wüten.
Der Roman springt dann ins Jahr 1945 und wir begleiten Walter und seinen Freund Fiete in den Krieg.
Wir wissen, es wird die Szene kommen, die Walter zwingt, auf seinen Freund Fiete, den Deserteur zu schießen. Aber um diesen Augenblick herum schafft Ralf Rothmann noch andere eindringliche Passagen, die neben der Brutalität auch ganz viel Poesie und Faszination schenken. Momente voller Schönheit erheben sich aus Passagen, die von Leid und Tragik erzählen. Ich war emotional sehr angesprochen und spürte eine allesumfassende Sicht auf das Leben zu Kriegszeiten mit Momenten unsagbarer Kränkung und Schuld und deren Bewältigung.
Der Roman hat in Stille und Schweigen seinen Anfang und so endet er auch. Im Epilog macht sich der Sohn auf die Suche nach der Grabstelle seiner Eltern. Der Friedhof liegt unter einer Schneeschicht. Flocken waren "lautlos gefallen ..., ein stilles Verwehen".

... das bewegte Herz

Als Walter den Vorgesetzten aufsucht und um Gnade für seinen Freund Fiete bittet. 
Ein letztes Gespräch mit Fiete.

... ein Zitat

"Das Schweigen, das tiefe Verschweigen, besonders wenn es Tote meint, ist letztlich ein Vakuum, das das Leben irgendwann von selbst mit Wahrheit füllt ... Mein Vater hat selten einmal gelächelt, ohne deswegen unfreundlich zu wirken. Der Ausdruck in seinem blassen, von starken Wangenknochen und grünen Augen dominierten Gesicht war unterlegt von Melancholie und Müdigkeit ... Es war der Ernst dessen, der Eindringlicheres gesehen hatte und mehr wusste vom Leben, als er sagen konnte, und er ahnte: Selbst wenn er die Sprache dafür hätte, würde es keine Erlösung geben."

... die Sprache

Sehr sensibel und hochpoetisch. Still in den richtigen Momenten. 

... Bemerkenswertes

Walter und Fiete werden in die SS- Division Frundsberg eingezogen. Es kann kein Zufall sein, dass es sich hierbei um dieselbe Division handelt, in die auch Günter Grass 1944 aufgenommen wurde. Ralf Rothmann möchte damit sicher etwas zum Ausdruck bringen.




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