Sonntag, 2. November 2014

"... meine Lust am Spiel mit Buchstaben wie vor Jahren, als ich, gerade des Lesens und Schreibens kundig ...


"Spiel der Zeit" von Ulla Hahn



Es bleibt in Erinnerung ...


... die Story

Hilla Palm, die Tochter eines einfachen Arbeiters, aufgewachsen in Dondorf am Rhein, lebt in dem nun dritten Teil der Trilogie von Ulla Hahn, als Studentin in Köln. Nachdenklich, aber doch lebenslustig und vor allem strebsam: dem Germanistikstudium verschrieben, verspürt sie Liebe zu Klang- und Ausdruckskraft von Sprache. Wie schon im ersten und zweiten Band ("Das verborgende Wort" und "Aufbruch") spielen Hilla (und Ulla Hahn!) gerne mit Wörtern, betten sie in Lautmalereien und Gedichte.
Hilla lernt zu Beginn des neuen Romans Hugo kennen, einen wahren Seelenverwandten, was die Literatur betrifft. Was die Liebenden trennt, ist Hugos Elternhaus, stammt er doch aus einer großbürgerlichen reichen Familie, die die Nase allzu hoch trägt und Hilla alles andere als mit offenen Armen aufnimmt.
Wieder also muss Hilla sich mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen, auch mit ihrer erzkatholischen Erziehung, doch gelingt es ihr sehr gut, das Elterhaus ins Licht der Liebe zu rücken, formuliert durchweg Verständnis für die Strenge ihres Vaters, seitdem er zu einem Vertrauten geworden war.
Hilla und Hugo leben die "68er", die Zeit der Hippie- und Haschparties, der Studentenunruhen, Sitzblockaden, Ostermärsche und Demonstrationen gegen die Notstandsgesetze und den Vietnamkrieg. Im Mittelpunkt auch die fehlende Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit in der deutschen Politik.

... das bewegte Herz

Szenen aus dem Dondorfer Familienleben und die Liebe zur Sprache, gar zum einzelnen Wort, das hin- und hergedreht viel Freude bringt.

... ein Zitat

"Wir ließen uns von den Wörtern führen, verführen, an die Hand nehmen, über-hand nehmen, weiter- und wegführen vom Sinn zum Un-sinn, zur Überraschung. Wir entdeckten den Reiz der Laute, die mutwillige Lust, den Wörtern den Sinn zu rauben, sie zu ertauben, den Zusammenhang zwischen Bezeichnetem und Bezeichnendem zu zerstören und neu zu schaffen, eine Sprachgemeinschaft nur für uns beide."

... die Sprache

Der Leser spürt, dass Ulla Hahn eigentlich Lyrikerin ist. Gedichte sind ihre Stärke und es gibt in ihrem Buch viele prosaische Stellen, an denen ein Gedicht verloren gegangen scheint.
Gewöhnungsbedürftig ist der köllsche Dialekt, dem manchmal zuviel Platz eingeräumt wird. Wird er über etliche Zeilen gesponnen, gefällt er mir nicht mehr.
Doch das fast schon geflügelte Wort "Lommer jonn", ein Ausspruch des Großvaters, mit dem der Roman beginnt, ist gleichsam Herz und Motto. Kurz, kraftvoll, schön.

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