Samstag, 20. Januar 2018


"Am Beispiel meines Bruders" von Uwe Timm



"Der tapfere Junge hatte sich freiwillig zu einer Eliteeinheit gemeldet."


Es bleibt in Erinnerung ...

... die Story

Uwe Timm hat ein sehr persönliches Buch geschrieben, in dem er einen Teil seiner eigenen Familiengeschichte aufarbeitet. Gerade mal drei Jahre alt verliert er seinen Bruder an die Waffen-SS. Karl-Heinz hatte sich ein Jahr zuvor freiwillig zum Dienst in ihr gemeldet und kommt in der Ukraine nach einer schweren Verletzung zu Tode.
Die Familie muss fortan mit dieser Lücke leben. Uwe Timm selber sind wenig Erinnerungen an den Bruder geblieben, die Eltern aber stellen ihn auf einen Sockel. Das Vorbild. Karl-Heinz thront über allem und darf sich mit den Attributen Mut,Tapferkeit und Gehorsam schmücken. Uwe wird in seinen Schatten gestellt. Der Vater ist sich gewissermaßen selbst ausgeliefert, gibt sich dem Gram und der Verbitterung hin.
Erst sechzig Jahre nach dem Tod seines Bruders gelingt Uwe Timm die Auseinandersetzung mit der Familienkonstellation von damals. Bemüht milde ist ihm daran gelegen, die Beziehung zu seinem Vater aufzuarbeiten, der damals "innerlich wund" gewesen ist und Uwe nicht gerecht begegnen konnte. Dispute und ein Unvermögen gegenseitiger Akzeptanz prägten die Vater-Sohn-Beziehung.

... ein Zitat

"Abwesend und doch anwesend hat er mich durch meine Kindheit begleitet, in der Trauer der Mutter, den Zweifeln des Vaters, den Andeutungen zwischen den Eltern. Von ihm wurde erzählt, das waren kleine, immer ähnliche Situationen, die ihn als mutig und anständig auswiesen. Auch wenn nicht von ihm die Rede war, war er doch gegenwärtig ..."

... was mich bewegt hat

Uwe Timms Annäherung an den Vater, der Wunsch, zu verstehen und zu vergeben. Und die Liebe zur Mutter, für die er zärtliche Worte findet. Sehr bewegend.

... die Sprache

Uwe Timms Aufarbeitung liest sich nicht fortlaufend, sondern eher bruchstückhaft. So wie die Erinnerungen kommen ... Oft kurze Sätze, vielleicht schnell notiert, bevor die Erinnerung wieder versagt.

... ein Fazit

Sehr lesenswert. Wesentlich auch die Beleuchtung der damaligen politischen Orientierung. Der Idealismus dieser Zeit und wie die Generation damit umging.

Uwe Timm
auf der Buchmesse Frankfurt 2017

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