Freitag, 8. September 2017


"Zu Fuß durch ein nervöses Land" 
von Jürgen Wiebicke



"Aber immer auf der Suche nach der nächsten zufälligen Begegnung, 
die mir hilft, etwas Neues zu begreifen."


Es bleibt in Erinnerung ...

... die Story

Auf der Suche nach gesellschaftlichem Zusammenhalt hat sich Jürgen Wiebicke im Sommer 2015 zu Fuß auf den Weg von Köln nach Ostwestfalen-Lippe gemacht. Es ist das Jahr der großen Flüchtlingsströme und der Journalist, Philosoph und Schriftsteller geht der Nervosität nach, die Deutschland zu spalten droht und sucht nach Zeichen von Mitmenschlichkeit und Schulterschluss. Sein Ziel sind bewusst Orte, die zu spiegeln vermögen, wie es um unser Deutschland steht. Seien es psychiatrische Klinik, Flüchtlingsheim, Schlachthof oder Jugendhilfezentrum, überall dort taucht Jürgen Wiebicke ein in Gespräche, die ihm neue Aspekte eröffnen und Denkanstöße geben. Er ist neugierig und offen und stellt die richtigen Fragen. Termine, die er im Vorfeld vereinbart hat, machen nur einen kleinen Teil aus. Es ist eher die Zufallsbegegnung auf der Straße, die er sucht und findet: Bauer, Flaschensammler, Asylbewerber, Kleingärtner, Binnenschiffer, Jäger und Angler. Meist hat er Glück und trifft auf Menschen "in Schwatzlaune", eher selten wird er auf Abstand gehalten.
Mit viel Betroffenheit aber auch Humor erzählt er von denen, die ihm was zu sagen hatten. 

... ein Zitat

"Ich habe Deutschlandkarten studiert, auf denen die Fernwanderwege verzeichnet sind. Aber die sind nicht für Leute wie mich gemacht. Ich suche nicht nach dem spektakulären Panoramablick, nach den Idyllen der deutschen Mittelgebirge, meine Wege sollen auch dorthin führen, wo es schäbig ist. Ich glaube nämlich, dass man eine Gesellschaft am besten von ihren Rändern her verstehen kann ... Als Wanderer setze ich mich aus, bin mit dieser Welt leiblich verbunden, sehe ich Dinge, für die ich sonst keine Aufmerksamkeit gehabt hätte. Beim Gehen gerate ich in einen anderen Zustand, das Denken verflüssigt sich."

... was mich bewegt hat

Das Engagement Jürgen Wiebickes, sein "Wunsch, von der Straße zu lernen", den einfachen Menschen zuzuhören, um sich ein Bild von der heutigen Gesellschaft zu machen.
"Ich wollte mir mein eigenes Land erklären lassen", sagt er so schön. Dafür macht er sich zu Fuß auf den Weg, setzt sich Strapazen aus und verströmt dabei einen beeindruckenden Optimismus. Keine Seite, auf der er nicht vom Glück der Bewegung und der Begegnung spräche.

... die Sprache

Sprachlich sehr fesselnd, denn es paart sich hier sein Vermögen zu schreiben und die Tatsache, dass er wirklich was zu erzählen hat. Wissenswertes lebendig in Sprache gepackt.

... ein Fazit

Jürgen Wiebicke ist ein Autor seiner Zeit, benennt, wo es  brennt und wo die Politik ansetzen sollte. Sein Buch ist hochaktuell, da es die Flüchtlingsproblematik ins Zentrum rückt. 2016 erschien das Werk und bereits dieses Jahr (2017) gibt es weiteres Buch von ihm. Darin ermutigt er uns, vor die Tür zu gehen und uns zu engagieren. Wir können auf diesem Wege im Kleinen politisch wirksam werden und die Demokratie stützen, bzw. "retten", so wie Jürgen Wiebicke sagt.
Auf seiner Lesereise macht er auch in Dormagen halt. Ich werde mir diesen Autoren nicht entgehen lassen.

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