Samstag, 8. August 2015

Paarweise betrachtet ...

Philippe Djian ("In der Kreide") und Markus Gasser ("Das Buch der Bücher für die Insel")



Die Autoren versammeln in ihren Büchern Literaturwerke, die sie für besonders erwähnenswert halten. Philippe Djians Anspruch ist ein anderer, seine Auswahl dadurch eingeschränkter. Ihm geht es nur um Leseerfahrungen, die er in jungen Jahren gemacht hat, die ihn sozusagen für die Literatur geöffnet haben. Er empfand sie als "Glück, das an einen Rausch grenzte", führt so manche "Rührung" auf sein damaliges Alter (zwischen zwanzig und dreißig) zurück, auf "den Schock und die Reinheit der ersten Augenblicke".
Markus Gasser spannt seine Literaturliste sehr viel weiter auf, bezieht sich auf Bücher, die er über einen jahrzehntelangen Zeitraum gelesen hat. Insgesamt trägt er fünfzig Werke zusammen. Für ihn machen sie die Bibliothek aus, die er im Fall aller Fälle mit auf eine Insel nehmen würde. Er sieht sich als Bibliothekaren, der die beglückendsten Werke der Weltliteratur zusammenstellen soll. Auch hier also das Zugwort Glück, aber Gasser belässt es nicht dabei, sondern fährt ganz viel Hintergrundwissen auf, verknüpft gar die Biographie der Autoren mit Szenen aus deren Romanen. Sehr präzise und gut recherchiert stellt er uns seine Inselbibliothek vor und mir gefällt sein Akribie und seine Sorgfalt. Mitunter geraten mir seine Exkurse aber zu langatmig.
Markus Gasser ist der Professionelle, ohne Zweifel, "In der Kreide" von Philippe Djian liest sich dafür flüssiger.

Es gibt eine ganz markante Übereinstimmung, die liegt bei "Moby Dick" von Melville. Beide Autoren favorisieren darüber hinaus Faulkner und Hemingway. Bei Grasser vermisse ich die Begeisterung (sein Exkurs zielt in der Hauptsache auf das Alkoholproblem, das beide hatten), bei Djian finde ich sie. Hemingway war für ihn "ein großer Lehrmeister" und Faulkner durch "die Macht seiner Worte" ein "unvergleichlicher Autor" und "ein Meister des Aufbaus".
Zwei genannte Schriftsteller lassen keine Einmütigkeit zu: Markus Gasser lobt Nabokov und Flaubert. Zu beiden äußert sich Djian ablehnend.
Djians zündendes erstes Leseerlebnis war "Der Fänger im Roggen". Er schreibt dazu: "Vor dem "Fänger im Roggen" wusste ich nicht, was ein Buch ist. Ich glaube, man kann sein ganzes Leben lang lesen, ohne die Erfahrung zu machen, was ein Buch wirklich ist, und ohne je gespürt zu haben, wie man in die Knie geht ... Ich zitterte bei dem Gedanken, dass mir diese Erfahrung hätte entgehen können."
Aber auch Gasser kann mitreißen. Hier über Gabriel Garcia Márquez:
" Von erdbebenhafter Sprachgewalt und Einbildungskraft in einen Dauertaumel hineingerissen, findet der Leser weder Zeit noch Atem, sich zu fragen, warum er das bloß erfundene Geschick von Papierfiguren durchmachen soll: García Márquez geht aufs Ganze, als wäre das Erzählen gerade von ihm selbst ersonnen worden, und tilgt damit jeden Zweifel an der Daseinsberechtigung von Literatur."

Zu allerletzt freut mich eine Aussage der beiden, in der Einvernehmen herrscht: stets ist es der Stil, der einem Buch seine Einzigartigkeit schenkt. Ein Plot alleine verspricht weder Puls noch Atem, er muss scheitern, wenn ihm die Magie des Stils und der sprachlichen Komposition fehlt.
Hierzu findet Gasser die schöneren, gekonnteren Worte:

Der Stil "lässt uns "im Rhythmus seines Autors atmen."







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