Sonntag, 7. Juni 2015

"Die Tigerfrau" von Téa Obreht


"Ich sage dir, es ist eine Sache, etwas nicht zu glauben, und eine ganz andere, es für möglich zu halten ..."


Es bleibt in Erinnerung ...

... die Story

Die junge Ärztin Natalia ist auf dem Weg zu einem Waisenhaus in Osteuropa, als sie die Nachricht vom Tod ihres Großvaters erreicht. Ihre Gedanken eilen zu ihm und sie erinnert sich an das, was sie beide verbunden hat. Ihr Großvater war ein begnadeter Erzähler und Natalia lauschte ihm gerne.
Da gibt es zum einen die märchenhafte Geschichte von dem "Mann, der nicht sterben konnte" und zum anderen die mythische Erscheinung eines taubstummen Mädchens, das Großvater in seiner Kindheit so faszinierte. Dieses Mädchen ist titelgebend für den Roman. Sie zieht einen wilden Tiger in ihren Bann; während alle Dorfbewohner ihn fürchten, gehen das Mädchen und der Tiger ein zartes Bündnis ein.

Ein anderer Teil dieses Romans betrachtet die Familie des Großvaters, erzählt wie er zu Kriegszeiten aufgewachsen ist, lesen gelernt hat (seine Lieblingslektüre: "Das Dschungelbuch"), Medizin studiert, praktiziert und Vorlesungen hält und wie er später eine besondere Beziehung zu seiner Enkelin Natalia pflegt.

Alle Episoden sind miteinander verbunden, die verschiedenen Zeitebenen berühren sich und die beiden fast sagenhaften Legenden von dem Mann, der nicht sterben konnte und der Tigerfrau lassen sich einreihen in das Leben des Großvaters. Aber darüberhinaus werden Nebenschauplätze beschrieben, die sehr weit weg führen und leider nicht immer den Bogen zurückfinden. 
Doch ich erlag dem großen Zauber dieses Buches. Ein Debut, das hoffen lässt, demnächst noch mehr von dieser Autorin lesen zu dürfen.

... das bewegte Herz

Mein Herz gehört der Person des Großvaters. Eine faszinierende Lebensgeschichte, ein bemerkenswerter Mann. Ein bisschen mehr Großvater, weniger Komparsen, das wäre schön gewesen. 

... ein Zitat

"In meiner frühesten Erinnerung ist mein Großvater kahl wie ein Stein und nimmt mich mit zu den Tigern. Er setzt seinen Hut auf und zieht den Regenmantel mit den großen Knöpfen an, und ich trage meine Lackschuhe und das Samtkleid. Es ist Herbst, und ich bin vier Jahre alt. Das Verlässliche daran: Großvaters Hand, das helle Zischen der Straßenbahn, die feuchte Morgenluft, das Gedränge den Hügel hinauf zum Zitadellenpark. Immer in Großvaters Brusttasche: Das Dschungelbuch mit dem Blattgoldeinband und den alten gelben Seiten."

... die Sprache

Wunderbare Ausdruckskraft und Wortgewalt. Herrliche Bilder voller Phantasie.






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