Sonntag, 6. Juli 2014

"Diese Dinge geschehen nicht einfach so" von Taiye Selasi




Es bleibt in Erinnerung ...


... die Story

Kweku verlässt sein Dorf am Meer in Ghana, Fola ihre Familie in Nigeria. Beide gehen nach Amerika, suchen dort ihr Glück, was zunächst bedeutet, gute Schulabschlüsse zu erreichen und zu studieren. An der Universität lernen die beiden Afroamerikaner sich kennen und lieben, heiraten und bekommen vier Kinder. Kweku wird Chirurg und hat den erhofften Platz in seiner neuen Heimat gefunden. Es geht darum, die afrikanische Vergangenheit hinter sich zu lassen und einen gewissen Status zu reichen. Ein schönes Bild dafür sind seine Pantoffeln. Diese stehen für "nie mehr barfuß laufen müssen". Nackte Fußsohlen gehören nach Afrika, die Pantoffeln in die neue Welt.
Der Roman beginnt mit dem Tod Kwekus und tragischerweise stirbt er ohne Pantoffeln an seinen Füßen. Der Leser ahnt an dieser Stelle schon, dass die Vergangenheit nicht verarbeitet ist.
Im Rückblick wird Kwekus Leben aufgeblättert. Der hochgelobte Chirurg verliert seine Anstellung wegen eines angeblich begangenen Kunstfehlers. Kwekus Scham ist so groß, dass er seiner Familie zunächst nichts davon sagt und als es herauskommt, er die Familie über Nacht verlässt.
Dieses Unvermögen, Probleme zu benennen und der Versuch, Unglück und Scheitern zu verbergen, zieht sich durch das ganze Familienepos. Die Kinder übernehmen genau dieses von den Eltern: das Ausschweigen von Konflikten und Schmerz. So finden sie nicht recht ihr Glück. Der Roman gibt jedem der vier Kinder ( Olu, Taiwo, Kehinde und Sadie) viel Raum, doch der Leser bleibt zunächst etwas im Ungewissen und muss sich zusammen mit den Protagonisten bis zum Ende gedulden. Erst dann wird so mancher Knoten in den Kinderseelen gelöst und es besteht die Aussicht auf Verarbeitung. Schweigen und Stolz müssen überwunden werden, sonst nagt der Kummer immer weiter und tiefer.
Ob es nun nötig ist, dass sogar ein Missbrauch ans Tageslicht kommt, bleibt zu diskutieren ... es ist vielleicht ein Tick an zuviel Tragik, die in diesen Roman gepackt ist.

... das bewegte Herz

Kweku und die Liebe zu seinen Pantoffeln.
Folas empfundenes Glück, als alle Kinder am Ende zusammenkommen, sie endlich miteinander sprechen und sich nah fühlen.
Und als Sadie feststellt, dass sie afrikanische Musik im Blut hat, sich beim Tanzen gehen lässt, ihr Herz ganz weit öffnet und nur noch die Trommeln und den Rhythmus spürt.

... ein Zitat

"Und was geschieht mit Töchtern, die von ihren Müttern verraten werden? Sie werden nicht so knuddelig wie Sadie, denkt Taiwo. Sie werden nicht kicherig und bezaubernd wie Ling. Sie bekommen einen Panzer. Werden hart. Sie hören auf, Mädchen zu sein. Obwohl sie aussehen wie Mädchen und sich wie Mädchen benehmen und wie Mädchen flirten und wie Mädchen küssen- aber in Wirklichkeit sind sie Generäle , Befehlshaber im Krieg, die beim ersten Tageslicht aufbrechen, um weiteren Angriffen zuvorzukommen."

... die Sprache

Sehr packend. Lässt sehr gut Stimmungen entstehen, transportiert das Unglück ganz meisterlich (und manchmal auch das Glück).
Man kann sich ihr nicht entziehen.

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