"Die Moselreise" von Hanns-Josef Ortheil
"Die Ufer spiegeln sich in der Mosel, dort zerfließen die Farben wie Wasserfarben auf meinen Schulbildern."
Es bleibt in Erinnerung ...
... die Story
Auf einer fast zweiwöchigen Wanderung 1963 mit seinem Vater entlang der Mosel von Koblenz nach Trier führt der elfjährige Hanns-Josef eine Art Reisetagebuch. Das Notieren und Protokollieren von Erlebtem gibt dem Jungen ein Gefühl der Sicherheit, denn er befürchtet, die Sprache könnte ihm ansonsten wieder abhanden kommen. Mit erst sieben Jahren hatte er sie erlernt, da er mit einer stummen Mutter aufwuchs. Danach erlebte er Worte als etwas Magisches und Faszinierendes, etwas, das ihn aufblühen ließ.
Der Vater unterstützt ihn in seinen Bemühungen, gibt ihm Zeit für die täglichen Notate und vor allem schafft er mit der Reise einen neuen Erlebnisraum für den Jungen, der geradezu dazu einlädt, intensiv erfahren und festgehalten zu werden. Hanns-Josef ist ein wissbegieriges Kind und der Vater vermittelt ihm viel Wissenswertes, macht aufmerksam, erklärt und beobachtet zusammen mit ihm Land und Leute. Auf "bleibende Erinnerungen" kommt es an und dafür muss man "genau hinschauen". So lehrt er das Kind.
Nach fast fünfzig Jahren wiederholt der erwachsene Hanns-Josef Ortheil in Gedenken an seinen Vaters diese Wanderung entlang der Mosel.
Es entsteht eine Art Hommage an den Vater, der ihm damals viel Zeit und Zuwendung geschenkt hatte.
... ein Zitat
"Dass die Moselreise aber mehr war als nur eine schlichte Reiseerzählung, das ahnte ich als Kind nicht. Ich war stolz, so viel wie möglich von den Erlebnissen, Gesprächen und Orten der Reise festgehalten zu haben, aber ich wusste nicht, dass für einen erfahrenen Leser hinter der dokumentarischen Folie der Erzählung noch eine ganz andere Erzählung sichtbar wurde. Ich meine die Erzählung von Vater und Sohn, ja ich meine die Erzählung von ihrer engen Zusammengehörigkeit und von ihrer gegenseitigen starken Liebe und Achtung."
... was mich bewegt hat
Die intensive Vater-Sohn-Beziehung. Alles natürlich aus Sicht des Sohnes, aber die Hinwendung des Vaters ist wirklich berührend.
Im Abspann des Buches fasst Hanns-Josef Ortheil nochmal zusammen, wie immens bedeutungsvoll und unvergessen für ihn diese Moselreise mit dem Vater gewesen ist.
... die Sprache
Da viele Originalnotierungen des jungen Ortheil mit einfließen, ist es eine eher einfache Kindersprache, die die Seiten füllt. In der Vor- und Nachbetrachtung aber spricht der erwachsene Autor und fügt das Buch zu einem harmonischen Ganzen.
... ein Fazit
Wer "Die Erfindung des Lebens" vom Autoren gerne gelesen hat, wird auch dieses Buch mögen. Der junge Hanns-Josef entwickelt sich weiter und es ist ganz wunderbar, das verfolgen zu dürfen.
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