Sonntag, 22. Januar 2017

"Ein Leben mehr" von Jocelyne Saucier


"Wenn er draußen in der Natur tief durchatmete, empfand er sich als Teil von etwas Größerem, als Teil des Universums."

Es bleibt in Erinnerung ...

... die Story

Ted, Charlie und Tom, drei alte Männer, haben sich in Nordkanada in die Wildnis zurückgezogen, leben dort in einfachen Hütten, stellen Fallen auf und angeln, helfen einander und wissen, sie haben hier die Form von Freiheit gefunden, die sie anderswo vermisst hätten. Selbstbestimmt leben und sterben können. Das konnten sie nur als Aussteiger verwirklichen und in heimlicher Einsiedelei. Würden sie entdeckt und würde die Hanfplantage auffliegen, hätte ihr Glück ein Ende ...
Aber auch ihr Ende möchten sie selbst bestimmen, denn in der Küche auf dem Bord steht eine Salzdose, in der sich in Wirklichkeit Strynchin befindet. 
Der Tod ist allgegenwärtig und doch bestimmt er nicht vorrangig das Leben in dieser verschworenen Gemeinschaft. 
Ted stirbt schließlich eines natürlichen Todes und eine junge Fotografin sucht die Zurückgezogenen auf, weil sie die Lebensgeschichte just dieses Teds recherchieren wollte. Er verlor 1916 im Großen Brand von Matheson seine Familie, überlebte und wurde zur Legende.
Außerdem stößt die alte Gertrude zu ihnen, auf der Flucht vor einer erneuten Einweisung in die Psychiatrie. Beide Frauen ändern das Gefüge in der "Lebensgemeinschaft Wald".

Für mich entsteht nicht nur "Ein Leben mehr", wie der Buchtitel es andeutet. Die Geschichte offenbart zwei Leben mehr. Zum einen das von Ted, das erst in liebevoller Recherche durch die Fotografin entsteht und in dem hunderte von Gemälden eine Rolle spielen.
Das zweite Leben mehr ist das von Gertrude und Charlie, denn sie verlieben sich auf ihre alten Tage, was alles für sie ändert.

Schließlich stört eine Razzia der Polizei den Frieden im Wald, die alten Leute verschwinden und mit ihnen die Strynchindosen ...

... ein Zitat

... zur Fotografin
"Ich liebe Geschichten, ich liebe es, wenn man mir ein Leben von Anfang an erzählt, mit allen Umwegen und Schicksalsschlägen, die dazu geführt haben, dass ein Mensch sechzig oder achtzig Jahre später vor mir steht, mit einem ganz bestimmten Blick, ganz bestimmten Händen und einer ganz bestimmten Art zu sagen, dass das Leben gut oder schlecht gewesen ist."

... zum Leben in der Wildnis
"Ob die Sonne scheint oder es schneit, es ist ein schöner Moment, denn es gibt immer etwas zu beobachten, den Schnee, die Sonne, den Wind, eine Hasenspur, eine vorbeifliegende Krähe, das erwachende Leben ..."

... zum Tod
"Wenn man die Freiheit hat, zu gehen, wann man will, entscheidet man sich leichter für das Leben."

... was mich bewegt hat

Die abgeschiedene Gemeinschaft der Drei und die Faszination des Alters, der die Fotografin nachspürt. Ein Buch über das Leben, obwohl der Tod "immer in seinem Versteck" lauert.

... die Sprache

Leise Töne, die zur Landschaft und Abgeklärtheit der in ihr lebenden Menschen passen. Gefällt mir sehr gut.

... ein Fazit

Auf jeden Fall lesenswert! 
Einfühlsam, aber auch unterhaltend. Besonders spannend wird es zum Ende hin. Alles rund.



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