Dienstag, 9. Februar 2016

"Der Mann, der das Glück bringt" von Catalin Dorian Florescu



"Enttäuschend ist etwas erst, wenn man es so sieht, hat Großvater mir einmal erklärt."

Es bleibt in Erinnerung ...

... die Story

In diesem Werk beweist Catalin Dorian Florescu mal wieder, was für ein begnadeter Erzähler er ist. Im Mittelpunkt stehen Ray und Elena. Beide wachsen in schwierigen Familienverhältnissen auf, drohen über Jahre nur die Erwartungen anderer zu erfüllen und sind geprägt von starren Geboten in Kultur und Glaube. In Elenas rumänischer Heimat im Donaudelta spielt der Aberglaube stark mit und gar der Teufel steht in der Tür. Rays Großvater gerät unter die Fittiche eines Juden, der seine Gebräuche streng auslebt. Vieles wird bis in die Generation von Ray und Elena fortgetragen und prägt die beiden. Sie versuchen sich zu befreien, üben sich in der Glückssuche, aber das Leben hält viele harte Schicksale für sie bereit. Florescu schreibt mit einer prallen Phantasie, die Freude bereitet. Ich empfinde einen Sog und ein Entsetzen ob der Vorkommnisse und habe doch keinen Lesemoment lang das Gefühl von Überzogenheit. Ja, so könnte es gewesen sein, denke ich wahrhaftig und jubel ob der Schöpferkraft und Ingeniosität des Autoren.
Abwechselnd werden die Familien von Ray und Elena aufgeblättert, beginnend in den Generationen ihrer Großeltern. Rays Großvater wächst in New York auf, Elenas Mutter in einem kleinen Dorf nahe des Schilfgürtels im Donaudelta. Diese beiden Antipoden schenken dem Roman viel Reiz, auf der einen Seite die rauschende Metropole, auf der anderen Seite die Beschaulichkeit von Natur und ihrer Isoliertheit.
Der Buchtitel bezieht sich auf  Ray, der es seinem Großvater gleich tun möchte. Letzterer trat in Theatern, Museen und Bars als Sänger auf und verzauberte mit seiner Stimme das Publikum. Er wollte stets zur "Welt der Theaterbühnen und des frenetischen Applauses" gehören.
Ray und Elena lernen sich erst kennen, als Elena nach New York kommt. Beide tragen ihre Vergangenheit und Herkunft in bzw. bei sich. Ray in seiner Berufung zu Varieté und Gesang, Elena mit einem Einmachglas in der Hand, in dem sie die Asche ihrer Mutter nach Amerika bringt. Es ist die Nacht der brennenden, einstürzenden Zwillingstürme, in der Elena in Rays kleinem Theater Zuflucht sucht. Die beiden erzählen sich ihre Geschichte, wobei Ray für Elena zunächst rätselhaft bleibt. Immer wieder versteckt er sich hinter seinen Kostümen und Parodien. Elena nimmt ihn an die Hand und mit nach Rumänien. Langsam öffnet sich Ray, findet zu sich selbst und zu Elena. Das Ende des Buches ist rund und doch nicht von einfältiger Seligkeit. Nach einer Geschichte über drei Generationen und zehn Jahrzehnten gelingt Florescu ein bewegender Schluss.

Unbedingt lesen!

... ein Zitat

"Er wollte sich einmal richtig Zeit nehmen, um sich eine gute Geschichte auszudenken. Eine, die dann seine eigene sein würde. Vorläufig aber genügte ihm zu wissen, dass er ein Mensch und ein Amerikaner war. Ein hungriger Amerikaner. Ein Drittes wusste er auch: dass er kein Sohn war. Wenn er sich in manchen Nächten in einer billigen Absteige, einem Fünf-Cent-Hotel, an den Rücken seines Nachbarn drückte und wegen der Hitze oder der Kälte nicht einschlafen konnte, dachte er: "'dammt, so einen wie mich kann es gar nicht geben. Wo komme ich bloß her?" Solange er nachgrübelte, fielen ihm kein Vater und keine Mutter ein."

... ein bewegtes Herz

Viele Figuren in diesem Roman haben mich berührt. Neben Ray und Elena sind es vor allem Elenas Großeltern, die in einem beängstigenden Aberglauben leben und ihre Mutter, die an Lepra erkrankt.

... die Sprache

Fließend, fabulierend und ausdrucksstark!

Das Cover des Buches spricht mich sehr an. Ihm zugrunde liegt ein Foto von Alper Yesiltas. Auf dem ursprünglichen Motiv ist im Hintergrund eine verschwommene Seenlandschaft zu sehen.
Für das Cover hat der C.B. Beck-Verlag das Foto bearbeiten lassen und stattdessen die New Yorker Skyline gewählt. Toll!

Ich danke dem C.H. Beck-Verlag für die Zusendung des Vorableseexemplars!


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