Dienstag, 4. Juni 2019


"Kafkas letzter Prozess" von Benjamin Balint




"Wem gehört Kafka?"

Es bleibt in Erinnerung ...

... die Story

Am Obersten Gerichtshof in Israel fand 2016 ein jahrelanger Rechtsstreit ein Ende. Mit im Gerichtssaal saß der Journalist und Autor Benjamin Balint und verfolgte gespannt den zu verhandelnden Erb- und Nachlassstreit. Es ging um ein sehr wertvolles literarisches Erbe, nämlich um Originalhandschriften von Franz Kafka. Über damals Max Brod waren sie an seine Vertraute Ester Hoffe gelangt und diese wiederum vererbte sie an ihre Tochter Eva Hoffe. Gültig wird so ein Erbe aber erst, wenn das Nachlassgericht seine Gültigkeit anerkennt. Das Verfahren zog sich über Jahre und gelangte an die internationale Öffentlichkeit, als die Frage aufkam, ob hier über jüdisches oder deutsches Kulturgut verhandelt wird. Inzwischen war nämlich die Israelische Nationalbibliothek aufmerksam geworden und erhob Anspruch auf diese Schriften. 
Da Ester Hoffe bereits einige Schriften von Kafka für hohe Summen (siehe Zitat) veräußert hatte, befürchtete man, es könnte auch im Fall Eva Hoffes ein eher finanzielles Interesse an den Schriften Kafkas bestehen. Der Oberste Gerichtshof entschied am 7. August 2016, der rechtmäßige Aufbewahrungsort für Kafkas Nachlass sei die Israelische Nationalbibliothek in Jerusalem. Das Deutsche Literaturarchiv Marbach war auch gehört worden, doch die nationalen Besitzansprüche Israels setzten sich letztendlich durch. 
Trotzdem stellt die Frage, ob Kafka nicht doch mehr deutsch als jüdisch gewesen ist. Kafka hatte eine deutsche Universität besucht, deutsches Recht studiert und seine Werke in deutscher Sprache verfasst ...

... ein Zitat

"Zu Brods Lebzeiten hatte Ester Hoffe nie versucht, ein Kafka-Manuskript zu verkaufen. Doch nach seinem Tod änderte sie den Kurs ...
Am 17. November 1988, zwanzig Jahre nach Max Brods Tod, brachte Ester Hoffe die 316 Seiten starke Originalhandschrift von Kafkas "Der Prozess" aus dem Jahr 1914 im Auktionshaus Sotheby's im Londoner Stadtteil Mayfair zur Versteigerung ...
... hob Tenschert seine grün-weiße Karte und brachte den Kauf für das Literaturarchiv Marbach für eine Million Sterling (etwa 3,5 Millionen Mark) unter Dach und Fach.

... was mich bewegt hat

Die enorme öffentliche Beachtung, die Franz Kafkas Nachlass letztendlich geschenkt wurde. 

... die Sprache

Sprachlich so verfasst, dass man das Buch sehr gut lesen kann, ohne zu ermüden. Natürlich sind die Urteile auch im Original zitiert, aber es bleibt dennoch leicht verständlich. Journalistisch und erzählerisch zugleich sehr gelungen.

... ein Fazit

Sehr interessantes und spannendes Buch. Gut recherchiert und dokumentiert. Besonders gut gefielen mir so einige Wort- und Sinnspielereien. Zum Beispiel, dass Eva Hoffe wie der Mann "in Kafkas Türhüterparabel ... verstört vor der Tür des Gesetzes" gelandet war. 
Oder: "Ein refrainartig wiederkehrendes Motiv bei Kafka ist das Gesetz", so schreibt Benjamin Balint. 
Wie passend, denke ich, nach all diesen Prozessen ...

Benjamin Balint am 9. Mai 2019 in Köln

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