Sonntag, 25. November 2018


"Das Weihnachtshaus" von Zsuzsa Bánk




"Seither träumen wir davon, Weihnachten dort zu feiern."

Es bleibt in Erinnerung ...

... die Story

Ein altes Haus im Odenwald, idyllisch gelegen, steht zum Verkauf und zwei Freundinnen erfüllen sich diesen Traum und erwerben es. Lilli heißt die eine, von der anderen, der Icherzählerin, erfahren wir den Namen nicht. Beide betreiben gemeinsam ein kleines Café und lieben es. Lilli ist die treibende Kraft, wirkt stark und unermüdlich und tut der Freundin gut, die vor nicht allzu langer Zeit ihren Mann Clemens verloren hat und nun alleine mit ihren zwei Kinder bei Frankfurt lebt.
In das Leben der beiden Frauen tritt Bill, ein Amerikaner, der zu Hause bei einem Wirbelsturm alles verloren hat und irgendwo neu anfangen muss. Er begibt sich daran, das alte Haus der Freundinnen zu renovieren, wird dafür sehr geschätzt und zum Heiligabend eingeladen. Den verbringen die Familien gemeinsam im neu hergerichteten Odenwaldhaus, gekleidet in Skihosen und Moonboots, denn die Heizung läuft noch nicht.
"Soeben hat die Zukunft begonnen" heißt es auf der letzen Seite.

... ein Zitat

"Lilli plant gern, sie plant lange im Voraus, sie macht gute Pläne, nützliche Pläne, die auch mich einschließen, von denen auch ich etwas habe, die auch meine Zeit in so etwas wie ein Gerüst füllen, die meinen Tagen eine Art Ordnung geben, eine Lilli-Ordnung, die gut für mich ist."

... was mich bewegt hat

Menschen können wie Geschenke sein ...
Gerade so in der Weihnachtszeit möchte man diesen Gedanken gerne zulassen. Eine Freundin wie Lilli ist auf jeden Fall ein Geschenk. Für mich ist sie das eigentlich Wunderbare an dieser Geschichte.
Bill als "unerwartetes Geschenk" als "Fügung" und als "Weihnachtsbote" ist mir dann doch etwas too much.


... die Sprache

Sanft und poetisch.

... ein Fazit

Ja, so lässt es sich leben, wenn Träume erfüllbar werden: ein kleines Liebhabercafé betreiben und sich ein altes Haus kaufen. Schöne Geschichte, aber ein bisschen zu pathetisch.


Zsuzsa Bánk 2013 in Neuss



Dienstag, 20. November 2018


"Das Verschwinden des Josef Mengele" 
von Olivier Guez




"Er erwacht erschöpft und schweißgebadet, 
sein Herz rast, er zittert am ganzen Körper ..."


Es bleibt in Erinnerung ...

... das Düstere

Olivier Guez erzählt die Geschichte von Josef Mengeles Flucht (welche sich über dreißig Jahre hinzog) und wie es dazu kam, dass er für seine Gräueltaten nie zur Rechenschaft gezogen werden konnte. Während Adolf Eichmann gefasst und gehenkt wurde, gelingt es Josef Mengele zunächst in Argentinien und Paraguay und danach in Brasilien unterzutauchen und dort, befreundet mit weiteren Altnazis, unentdeckt zu bleiben.
In Argentinien kommt er zunächst gar zu Wohlstand und Ansehen, doch nach dem Sturz des nazifreundlichen Juan Perón, ist es Mengele geraten, das Land zu verlassen. In Folge fühlt er sich auf seiner Flucht zunehmend gehetzter und isolierter.
Seine Helfer werden von Deutschland aus unterstützt. Sie kommen in den Genuss erheblich finanzieller Zuwendungen. Die längste Zeit lebt Mengele auf weit abgelegenen Farmen und bezahlt die Eigentümer für ihr Schweigen.
Als Josef Mengele beim Baden an der brasilianischen Küste durch einen Schlaganfall zu Tode kommt, begräbt man ihn vor Ort unter einem anderen Namen. Josef Mengeles Familie schweigt, um alle Beteiligten zu schützen und sich nicht verantworten zu müssen. Sechs Jahre später kommt man dahinter, exhumiert die Leiche und führt sie der Gerichtsmedizin zu.

... ein Zitat

"Ein Spezialdossier offenbart, dass seine Familie wusste, wo er sich versteckt hielt, und ihn bis zum Ende finanziell unterstützt hat. Rolf bestätigt in einer kurzen Pressemitteilung, dass sein Vater 1979 in Brasilien gestorben ist, und drückt Opfern wie Angehörigen sein tief empfundenes Mitleid aus. Er habe aus Rücksicht auf die Menschen, die seinem Vater geholfen hatten, den Tod verschwiegen. Kein Wort zu seinen Gewalttaten.
Dieter, Karl-Heinz und Sedlmeier sind nie strafrechtlich belangt worden, auch Rolf nicht. Der Vorwurf der Strafvereitelung ist in Deutschland nach fünf Jahren verjährt."

... was mich bewegt hat

Am meisten bewegt hat mich Rolf, der Sohn Josef Mengeles, sein Entsetzen, als er den Vater 1977 nochmal in Brasilien besucht und dieser "ohne Reue und Gewissensbisse" weiterhin das vertritt, was "seine Pflicht als Soldat und Wissenschaftler" gewesen ist.

.. die Sprache

Neben sprachlich trockenen Passagen haben wir lebendigere, die sich mit der Persönlichkeit und dem wankenden Befinden des Untergetauchten befassen. 
Olivier Guez ist Journalist und hat für Le Monde, die New York Times und die Frankfurter Allgemeine Zeitung gearbeitet. Er kann mit Sprache umgehen und hat meiner Meinung nach auch gut in die literarische Form des Romans gefunden.

... ein Fazit

Sehr lesenswert. Eine wirklich packende Lektüre. Sehr gute Recherche (lange Bibliographie-Auflistung im Anhang!).
Manchmal fragt man sich aber, was wahr und was fiktiv ist. Darf man Mengele zu einer Romanfigur werden lassen? Ja, man darf, finde ich. Wenn es so gut gemacht ist wie in diesem Buch.

Olivier Guez auf der Buchmesse Frankfurt 2018