Dienstag, 14. August 2018


"Der Reisende" von 
Ulrich Alexander Boschwitz




"Wieder hörte er auf das Stottern der Räder, 
die Musik des Reisens."


Es bleibt in Erinnerung ...

... die Story

Im Mittelpunkt steht der jüdische Kaufmann Otto Silbermann, der in Berlin von einem Tag auf den anderen ein Getriebener, ein Ausgestoßener wird. Es ist die Zeit der Novemberprogrome und Otto Silbermann muss erkennen, dass sein Leben bedroht ist. Zu lange fühlte er sich sicher, fest verankert im Privat- und Geschäftsleben. Als seine Wohnung gestürmt wird, gelingt ihm die Flucht und von dem Tag an kommt er nicht mehr zur Ruhe. Mit einem in seinen Pass gestempelten "J" traut er sich kaum, in Hotels unterzukommen. Also begibt er sich auf ständige Reise und verbringt Stunden, Tage, Nächte in Zugabteilen oder als einer unter vielen im Gedränge von Bahnhöfen. Lange trägt ihn die Hoffnung, er könne das antisemitische Deutschland irgendwie verlassen ...

... ein Zitat

"Was ich auch getan habe, dachte er, heute bekommt es ein neues Gesicht, denn heute bin ich ein angezweifelter Mensch, ein Jude.
Er stieg in den inzwischen eingelaufenen Zug ein. Soll das denn nun ewig so weitergehen? Das Reisen, das Warten, das Fliehen? Warum geschieht nichts? Warum wird man nicht festgehalten, verhaftet, verprügelt? Sie treiben einen bis an die Grenze der Verzweiflung, und dort lassen sie einen stehen."

... was mich bewegt hat

Der Verrat, den er erfahren muss, vor allem der durch die Menschen, die ihm vorher nahe standen. 

... die Sprache

Schwere Kost in einfacher, aber treffender Sprache. Jede Formulierung sitzt.

... ein Fazit

Ein Zeitdokument, das ich wie geschaffen halte für den Oberstufenschüler. Unaufgeregt und trotzdem eindringlich erfährt man an Otto Silbermann, wie es den Juden damals ergangen ist. Hervorragende Literatur, die still das Unvorstellbare exponiert. Sehr gut aufgezeigt ist, wie wenig der Judenhass damals in der Bevölkerung hinterfragt worden ist.
Das Manuskript zu diesem Roman ist bereits 1938 entstanden. Ulrich Alexander Boschwitz war selber verfolgter Jude. Damals erschien sein Roman nur in England und Amerika. Es brauchte eine aufmerksamen Verleger, um diesen Roman dieses Jahr endlich dem deutschen Leser zu präsentieren. 

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