Donnerstag, 7. Juni 2018

"Meine Eltern" von Aharon Appelfeld




"Das Leben meiner Eltern hat sich tief in mich gesenkt."

Es bleibt in Erinnerung ...

... die Story

Im Mittelpunkt steht der zehnjährige jüdische Erwin, der wie jedes Jahr mit seinen Eltern die Sommerferien am Ufer des Flusses Pruth in Rumänien verbringen. Es ist das Jahr 1938 und über der kleinen Urlaubsgesellschaft schwebt die düstere Vorahnung des Zweiten Weltkrieges. Er wird zunächst nicht thematisiert, ist aber doch allgegenwärtig und verdüstert nach und nach die Szenerie.
Erwin genießt die Wochen mit den Eltern, denn diese widmen ihm viel Zeit. Er ist ein außergewöhnlicher Junge, der viel liest, sich Notizen macht, und mit großer Aufmerksamkeit die Menschen um sich herum beobachtet. Besonders liebevoll studiert er seine Eltern, analysiert deren Eigenarten und wünscht sich nichts sehnlicher als Harmonie in der Familie. Während er die Mutter durchweg bewundert, tut er sich mit seinem zu Ungeduld und Zorn neigendem Vater etwas schwer.
Die Ferien gehen zu Ende und Erwin fürchtet die Rückkehr an die Schule. Pjotr, ein Mitschüler, hat ihn bereits angegangen und als Juden beschimpft. Seine Mutter nimmt ihn ihn den Arm und findet beruhigende Worte für ihn und sein Vater trainiert ihn, damit er sich besser wehren kann. So fühlt Erwin sich zunächst gut beschützt.
Doch die ukrainische Landschaft zeigt mehr und mehr die "vergängliche Schönheit"
des Herbstes ....

... ein Zitat

"Der Moment, in dem der Blick des Kindes durch die Dunkelheit der vergangenen Jahre bricht, verspricht dir neue Einsichten, Klarheiten und Wortschöpfungen, die jahrelang in dir verborgen waren und die sich dir jetzt offenbaren. Das gespannte kindliche Staunen wischt plötzlich den Staub der Jahre von den Erscheinungen, von den Menschen, sie stehen dir vor Augen wie beim ersten Mal, und du wünschst dir aus ganzem Herzen, dass diese Gnade nie aufhören möge."

... was mich bewegt hat

Die Stimme des Kindes bewegt ungemein. Mit welch wachen Augen und ungeheurer Empathie es die Menschen, die ihn umgeben, wahrnimmt und wie es vermag, die Begegnungen in Worte zu fassen. Natürlich ist es letztendlich der Autor von heute, der formuliert, aber ohne die Aufmerksamkeit des Kindes von damals wäre das nicht denkbar.

... die Sprache

Sprachlich ganz wunderbar. Man lese das Zitat oben!

... ein Fazit

Sehr lesenswert. Aharon Appelfeld erinnert an die Schrecken der Vergangenheit, aber er macht vor dem Äußersten halt. Ein stiller Mahner, der gegen das Vergessen anschreibt.
Seine Romane beschäftigen sich fast alle mit der Judenverfolgung. Er rekonstruiert seine eigenen Erfahrungen, schafft Figuren, die dem kleinen Aharon fast ganz gleichen. Aber eben nur fast. Autobiografisch darf man es also nicht nennen, aber es kommt dem sehr nahe.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen