Dienstag, 9. Mai 2017

"Benjamin und seine Väter" 
von Herbert Heckmann



"Benjamin jedoch rückte den Stuhl an sein Fenster und las in Don Quijote."

Es bleibt in Erinnerung ...

... die Story

Die junge Anwaltsgehilfin Anna bringt zur Zeit der Weimarer Republik in Frankfurt Benjamin zur Welt bringt. Dr. Fritz Bernouilli, dem die Kanzlei gehört, nimmt sich ihrer und Benjamins an, da der Vater des Jungen das Weite gesucht hat.
Der herzensgute Anwalt wird von Anna kurz zu Jonas umgetauft, denn seine "gelinde Dickleibigkeit" lässt sie an die alttestamentarische Geschichte von Jona und dem Wal denken.
Jonas hängt sehr an Benjamin und fördert ihn in jeglicher Hinsicht. Vor allem bringt er ihm Bücher nahe. "Don Quijote" wird zum ständigen Begleiter Benjamins, der Junge liest viel, das "Buchstabenfieber" hat ihn gepackt. Jonas ist liebender Vater, Mentor und Lehrer zugleich.
Trotzdem ist Benjamin von einer tragischen Sehnsucht nach seinem leiblichen Vater erfüllt. Der Wunsch, ihn zu finden, ist immens groß. Erst im Epilog des Buches erfahren wir, ob Vater und Sohn zusammenkommen.
Benjamins innere Welt lässt die äußere nur als Randerscheinung zu. Die Nationalsozialisten drängen an die Macht und in der Schule wird ein Bild vom Führer aufgehängt. Max, der beste Freund Benjamins, muss die Stadt schlagartig verlassen. Benjamin bleibt kindlich naiv, erahnt höchstens die "Ausmaße des Unheils", wenn Jonas erregt von den "Tagesereignissen" spricht.

... ein Zitat

"Es war das letzte Mal, dass er seinen Vater auf den goldenen Thron seiner kindlichen Wünsche erhob. Seine Träume, der verstoßene Sohn einer bedeutenden Persönlichkeit zu sein und zu gegebener Zeit endlich herausgestellt zu werden: "Ja, das ist mein vielversprechender Sohn", diese Träume schwanden dahin.
Benjamin begann zu hassen und wollte nicht verstehen, wie man es in dieser Welt dilettantischer Väter aushalten könne, in dieser Welt der Versprechen, die keiner hält."

... was mich bewegt hat

Am meisten hat mich die Figur des Jonas bewegt, der so ganz selbstverständlich die Vaterrolle übernimmt und für Benjamin zur wichtigsten Bezugsperson wird.
Kein rührseliger Kitsch und doch hat das Buch mich emotional gepackt.

... die Sprache

Ganz fantastisch in der Beschreibung und Charakterisierung von Benjamin und Jonas. Einnehmende Dialoge, schöne Formulierungen. Flüssiger Stil.

... ein Fazit

Lesenswert!
Die Stadt Frankfurt hatte es übrigens dieses Jahr zum Lesefest "Frankfurt liest ein Buch" ausgewählt.
Die Erstauflage erschien 1962. Benjamin Heckmann lebt leider nicht mehr.

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