Sonntag, 22. Januar 2017

"Ergebenst, euer Schurik" 
von Ljudmila Ulitzkaja


"Sein innerer Feind, sein wundes Gewissen, sandte ihm von Zeit zu Zeit realistische, unerträgliche Träume ..."

Es bleibt in Erinnerung ...

... die Story

Schurik wächst in Moskau vaterlos, dafür aber in sehr enger Bindung zu Mutter Vera und Großmutter Jelisaweta auf. Beide Frauen konzentrieren sich ganz auf ihn, lieben und fördern ihn ob all ihrer Möglichkeiten. Jelisaweta, Philologin und Hochschulprofessorin, schult vor allem seinen Geist und Vera, gescheiterte Schauspielerin weckt das Künstlerische in ihm. Während ihm der Vater augenscheinlich gar nicht fehlt, nimmt doch seine Entwicklung merkwürdige Züge an. Gewöhnt daran, sich ganz und gar Frauen anzupassen, misslingt es ihm mehr und mehr, befriedigende Beziehungen zu Frauen aufzubauen. Schurik, viel zu herzensgut und schwach, gibt sich immer ganz den Bedürfnissen der Partnerinnen hin. Fast unschuldig wird er zum Tröster vieler Frauenseelen, weiß er doch, wie ihre Herzen schlagen und wie er ihnen gut tun kann.
Mutter Vera lässt ihm nicht wirklich genug Zeit und Raum, um all die Frauen zu besuchen, die nach ihm rufen. Schurik kämpft mit Zwiespalt und Schuldgefühlen. Er schläft oft aus purem Mitleid mit seinen Freundinnen und anschließend eilt er schnell zurück zur abgöttisch geliebten Mutter zurück, die in der gemeinsamen Wohnung auf ihn wartet.
Am Ende erkennt er, dass es doch eine Frau in seinem Leben gegeben hat, die er aufrichtig und ausgefüllt geliebt hat. Lilja, so wie sie heißt, ist aber nach Israel ausgewandert und geht nach einem kurzen Besuch bei Schurik dorthin zurück. Leider spielt Lilja eher mit ihm, doch Schurik ist selig, wenigstens einmal die große Liebe erlebt zu haben.

... ein Zitat

"Mutter und Großmutter, zwei breitflügelige Engel, standen stets zu seiner Linken und zu seiner Rechten. Diese Engel waren nicht fleisch- und geschlechtslos, sondern spürbar weiblich, und von klein auf bildete sich bei Schurik unbewusst das Gefühl heraus, das Gute an sich sei etwas Weibliches, das von außen kam und ihn, der im Zentrum stand, umgab ... Er dankte ihnen ihre Liebe mit vollkommener Gegenseitigkeit ..."

... was mich bewegt hat

Der schwache Schurik, der es allen recht machen möchte. Und betrüblich ist, dass der Roman ihm eigentlich gar keine Entwicklungsmöglichkeiten einräumt.
Jelisawetas und Veras Liebe für ihn habe ich als sehr bewegend und intensiv beschrieben empfunden.

... die Sprache

Amüsant und doch mit Tiefgang. Sprachlich liegt die Autorin mir sehr, ich mag das Exakte und scharf Beobachtende, wenn es um ihre Figuren geht.

... ein Fazit

Ljudmila Ulitzkaja, die gerne Frauengestalten in den Mittelpunkt ihrer Geschichten rückt, hat im Grunde auch in diesem Roman nichts anderes getan. Schurik bleibt erstaunlich farblos und wiederholt sich in seinen verzweifelten Versuchen, die Frauen zu beglücken. Der Kern und das eigentlich Faszinierende in diesem Buch sind die skurrilen Frauen, die Ljudmila Ultzkaja gerne mit einem Makel ausstattet. Da ist zum Beispiel die zierliche Lilja mit ihren krummen Beinen und abstehenden Ohren oder die verrückte Swetlana "mit ihrer bläulichen Gänsehaut".
Wirkliche Persönlichkeiten sind Schuriks Mutter und Großmutter. Diese beiden Frauen alleine lohnen den Roman schon.
Ich habe dieses Buch sehr gerne gelesen, manch ein Leser mag es aber als langweilig empfinden, vor allem, da es an Handlung mangelt.






Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen