Sonntag, 20. November 2016

"Cox oder Der Lauf der Zeit"
 von Christoph Ransmayr



"... träumte von einer Uhr, deren Räderwerk sich
 in eine Zukunft ohne Grenzen und Maß drehte."

Es bleibt in Erinnerung ...

... die Story

Sie spielt im 18. Jahrhundert und lässt den genialen Uhrmacher Alister Cox von England nach China reisen, um dort für den chinesischen Kaiser vor Ort einige Auftragsarbeiten zu fertigen. Die größte Herausforderung stellt der Wunsch nach einer Uhr dar, die "bis in alle Ewigkeit läuft". Wie ein Perpetuum Mobile möge diese "alle Menschenzeit" überdauern, ohne je aufgezogen werden zu müssen. Cox und seine Begleiter trauen sich an "das Unmögliche", erkennen jedoch eine Gefahr. Quiánlóng will Herr über alle Zeit sein und muss er es nicht als Erniedrigung empfinden, wenn ein Uhrmodell entsteht, das über seine eigene Lebenszeit hinausläuft? Ist das bedacht?
Die englischen Uhrmacher bangen um ihr Leben, denn sie haben miterlebt, mit welcher Grausamkeit Quiánlóng Menschen foltert und hinrichtet, die seine Machtstellung nicht anerkennen. Christoph Ransmayr verleiht seinem Roman damit eine gewisse Spannung. Sein eigentlicher Anspruch aber, eine märchenhaft angelegte Reflexion über Zeit und Vergänglichkeit zu schreiben, bleibt das Herzstück dieses Romans.

... ein Zitat

"Konnten also dieser Kaiser und dieser englische Uhrmacher über Ozeane, Sprachräume und Denksysteme hinweg durch so etwas wie Seelenverwandtschaft verbunden sein? ... auch wenn jeder Gedanke, jedes Gesetz und jede Ordnung dieser Welt die beiden voneinander unüberbrückbar zu trennen schien?"

... was mich bewegt hat

Das Nachsinnen, in welchen Lebensabschnitten das Verrauschen von Zeit wie empfunden wird und welche Uhrmodelle dem Gefühl jeweils nahe kämen. Besonders schön die Dschunke, die Cox entwirft, um den Lauf der Zeit in der Gedankenwelt eines Kindes zu veranschaulichen. Der Autor lässt den Uhrmacher mit viel sensibler Detailverliebtheit ans Werk gehen

...die Sprache

Eine Sprache der Eleganz und Wucht zugleich. Sie fesselt und begeistert mich. Beste Prosa.

... ein Fazit

Der Autor bündelt Historisches und erfunden Phantasiereiches. James Cox, ein englischer berühmter Uhrmacher, und der chinesische Kaiser Quiánlóng sind überlieferte Figuren und Christoph Ransmayr webt um sie herum eine famose Geschichte.
Auch im Bereich Sprache stoße ich auf Zweierlei. Sie verzaubert auf der einen Seite, wenn Cox sich voller Hingabe an sein Handwerk macht oder die Pracht im Reiche Quiánlóngs geschildert wird, aber ich empfinde einen Kontrast, wenn ich als Leserin Zeugin von Quiánlóngs makaberen Brutalität werde. Das ist ganz sicher so gewollt und gut gemacht.
Hier ist ein großer Autor am Werk gewesen. Geschaffen hat er eine brillante Parabel zum Thema Vergehen von Zeit. Unbedingt Lesen!

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