Dienstag, 21. Oktober 2014

"Wieder hob die Eifersucht den Kopf wie eine Schlange."


"Der Pianist" von Viktorija Tokarjewa




Es bleibt in Erinnerung ...


... die Story

Im Mittelpunkt dieser drei Erzählungen stehen Menschen, die bewusst oder unbewusst in eine neue Rolle schlüpfen und damit ihrem Leben eine andere Richtung geben. Stets sind sie ihr eigener Motor, in keiner der drei Geschichten ist es unabwendbar, stets bringt ein eigener Entschluss alles in Gang.
Obwohl die Protagonisten das auch schon mal abstreiten mögen ...
Die Figuren sind fesselnd, die Erzählungen jedoch nicht immer ganz ausgereift. Dem Ende fehlt die gewisse Note.
Die raffinierteste Erzählung, deren Schluss mir gut gefällt, ist die dritte, in der ein Schauspieler von dem dreiundachtzigjährigen Sokolow engagiert wird. Dieser alte Mann sitzt gelähmt im Rollstuhl und möchte, dass Nick, der Schauspieler, an seiner Stelle alles auslebt. Jeden Genuss soll er ausreizen, vor allem essen, trinken, sich prügeln und guten ausschweifenden Sex haben. Solokow knüpft allerdings daran die Bedingung, stets zugegen sein und zuschauen zu dürfen. Nick bekommt viel Geld dafür geboten und er willigt ein.
Bei einer Wolgakreuzfahrt lernt Nick Julia kennen ...

... das bewegte Herz

Die Sympathie, die man für Torkajewas Figuren hegt. Stets stürzen diese andere ins Unglück, lügen und betrügen und doch liebt man sie. Vielleicht, weil sie doch letztendlich schwach sind .
Ich mochte Igor Mesjazew, den Pianisten, aus der ersten Erzählung. Viktorija Tokarjewa räumt dieser Geschichte die meisten Seiten ein So taucht der Leser tief in Igors Gefühlsleben ein. Torkajewa macht das meisterlich.

... ein Zitat

"Der alte Mann war nett, umgänglich, hatte große verrückte Augen wie ein Grashüpfer. Auch Nick gefiel dem alten Sokolow. Der Greis, klug wie eine Schlange, sah sofort alles: die zarte Seele, das unbeständige Künstlerwesen, die Armut, die an echte Not grenzte, das Vertrauen in das Leben und die Hoffnung. Dem Alten war klar, dass es schade war, so einen zu brechen. Aber gerade weil es schade um Nick war, reizte es ihn um so mehr."

... die Sprache

Tokarjewa trifft einen ganz besonderen Ton, leise und doch durchdringend. Glasklare Gedanken in knappen Sätzen. Ich mag ihren Stil, der distanziert scheint und doch unter die Haut fährt.








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