Samstag, 23. August 2014

"Vielleicht Esther" von Katja Petrowskaja 




Es bleibt in Erinnerung ...


... die Story

Hält man das Buch in der Hand, möchte das Cover dem Leser einen Roman versprechen, blättert man es auf, erblickt man den Zusatz "Geschichten". Katja Petrowskaja verknüpft in ihren Kapiteln Lebensabschnitte verstorbener Familienmitgliedern, greift "verlorene Fäden" auf, fügt recherchierend zusammen, schafft Bezüge, sortiert und archiviert. Sie geht dabei persönlich ambitioniert vor. Fast ist es, als ergäbe sich dieses Buch nur, weil alles irgendwo niedergeschrieben werden muss, davor bewahrt werden muss, wieder verloren zu gehen.
Die Autorin fährt von Berlin aus nach Warschau, nach Ausschwitz und nach Mauthausen und ist auf der Suche nach den Spuren ihrer jüdischen Ahnen. Die Vergangenheit braucht Worte, man spürt, wie Katja Petrowskaja sie sucht, denn die deutsche Sprache ist nicht ihre Muttersprache. Und doch wirken ihre Geschichten ungezwungen, wahrscheinlich, weil sie so locker aufgereiht sind.
Einiges bleibt auch im "Vielleicht" stecken, da die Menschen sich nicht mehr richtig erinnern oder verlässliche Quellen fehlen. So auch der Name ihrer Urgroßmutter.

... das bewegte Herz

Babuschka Rosa, die erblindet und  Babuschka Esther, die auf offener Straße erschossen wird. Großvater Wassilij in seinem Rosarium  und dann als Name auf der Mauthausener Registrierungskarte. Wie Katja Petrowskaja in den Baracken steht und ihm nachspürt.

... ein Zitat

"Ich wollte mich immer mir der Geschichte beschäftigen, sagte mir mein Vater, aber ich wollte nie, dass sie sich mit mir beschäftigt, und er sagte auch, dass man keine Verwandten brauche, um einen Bezug zur Geschichte zu haben. Und ich sagte, doch, ich habe nun einmal diese Neigung, alles in ein großes Panorama zu stellen, als befänden wir uns selbst in der Windrose des Geschehens ..."

... die Sprache

Sehr bildreich und phantasievoll. Frisch und nicht erstarrend, wenn es um Trauer geht. Die Bilder haben oft Witz und Charme. Beeindruckend, wie die Autorin es versteht, sich in Deutsch auszudrücken.

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