Sonntag, 19. Januar 2014

"Traumpfade" von Bruce Chatwin


Es bleibt in Erinnerung ...

... die Story

Bruce Chatwin, ein enthusiastischer Vielreisender, nimmt den Leser mit zu den Traumpfaden nach Australien. Dies sind kilometerweite Wege und Pfade (Songlines) der Aborigines, entlang an den ihnen heiligen Stätten.
Der Autor trifft vor Ort Menschen, die sich dafür einsetzen, dass diese Songlines nicht durch den Bau neuer Eisenbahnlinien zerstückelt und damit entweiht werden.

... das bewegte Herz

Das Ende.
Drei Männer liegen an einer Tschuringa- Stätte und warten auf ihren Tod. Alle "dasselbe zahnlose Lächeln". Der Autor betrachtet gerührt, wie diese Aborigines dem Tod entgegen lächeln. 

... die Sprache

Oft deftig in der Kommunikation mit den Menschen vor Ort und in der Beschreibung von Alkoholsucht und Gewalt.
Aber ganz fein, wenn es um Lebensanschauung geht. Zum Beispiel streut Bruce Chatwin ganz viele Notiz- und Tagebucheintragen ein, entstanden auf seinen zahlreichen Reisen, angereichert mit Zitaten aus Leben und Literatur. 

... ein Zitat

Einen Pass zu verlieren war das geringste aller Übel- ein Notizbuch zu verlieren war eine Katastrophe.



Ich möchte das Buch jedem Leser ans Herz legen, der schon mal darüber nachgedacht hat, ob uns ein vielleicht etwas asketischeres Leben mehr Glück bringen könnte...
Jeder Literaturliebhaber fühlt sich nach dieser Lektüre bereichert. Man muss nur die Bereitschaft mitbringen, sich in Bruce Chatwins Notizen gedanklich ein wenig entführen zu lassen.

Montag, 13. Januar 2014

"Der Hügel des Windes" von Carmine Abate


Es bleibt in Erinnerung ...

... die Story

Das Leben einer italienischen Bauernfamilie an der Küste Kalabriens. In ihrem Besitz befindet sich der Rossarco, ein fruchtbarer Hügel, eng geschmiegt an die Meeresküste. Man begleitet die Familie Arcuri über vier Generationen. Über all die Jahre ist es immer wieder dieser duftende Hügel (Oregano, Süßholz, Minze, wilde Malve ...), der für Heimat steht.

... das bewegte Herz

Die Verbundenheit mit dem Rossarco. Die Familienmitglieder, die immer wieder zu ihm zurückkehren. Das Herz, das einem aufgeht, wenn eine wunderschöne Landschaft beschrieben wird.

... die Sprache

Sehr malerisch, leise. 
Mit trivialen Entgleisungen, vor allem, wenn die Liebe ins Spiel kommt.

... ein Zitat

Die Wahrheit ist, dass Orte absolute Treue fordern, ähnlich wie eifersüchtige Liebhaber: 
Wenn du sie verlässt, tauchen sie früher oder später wieder auf, um dich mit der geheimen Geschichte zurückzuholen, die dich an sie bindet ...


Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, es bleibt aber leider ein trivialer Nachgeschmack.

Samstag, 11. Januar 2014

"Der Kindheitserfinder" von David Grossmann


Es bleibt in Erinnerung ...

... die Story

Aaron wächst elfjährig in Israel auf, lebt zusammen mit den Eltern, einer Schwester und seiner Oma in einem eher ärmeren Teil Jerusalems. Aaron erlebt seine Pubertät als Tragödie, sein Körper wird ihm zum Alptraum. Er isoliert sich immer mehr, verliert damit die Leichtigkeit, mit der er einst Freundschaften pflegte.

... das bewegte Herz
Aarons Empfindsamkeit, der Verlust seiner Kindheit, wie er sich quält. Seine Mutter, deren Kälte für mich der Auslöser dafür ist, dass Aaron nicht in seiner Familie und in seinem Körper ruhen kann. Die Liebe, die er für seine Oma empfindet.

... die Sprache
Wunderbar. Wie sie mich in Aarons Gedankenwelt hat blicken lassen, wie grandios psychologisches Wissen des Autors in ihr aufblitzt, wie schlagartig treffend sie ist und trotzdem bildhaft schwebend, vor allem, wenn Aaron in seinen Phantasien unterwegs ist.

... ein Zitat
... und dass er es war, dem sie jetzt ein sanftes Lächeln schenkte, und Jochi und die Mutter und Aaron sahen ihr Lächeln wie ein kostbares Öl einsickern, in den schier unverwundbaren Panzer eindringen, mit dem sich seine Seele verkrustet hatte.